Artikel zum Film «Unterm Birnbaum» (Mo, 30.12. 2019, 20.15 Uhr, ZDF)
Unterm Birnbaum | Hamburger Abendblatt
Von Klaus Braeuer, dpa
«Unterm Birnbaum»: Ein zeitloses Drama
Pünktlich zum Geburtstag eines berühmten deutschen Dichters ist nun die Neuverfilmung eines seiner Werke zu sehen - am kommenden Montag im ZDF.
Berlin (dpa) - Am heutigen Montag (30.12.) vor 200 Jahren wurde der deutsche Dichter Theodor Fontane (1819-1898) geboren. Eine seiner Novellen lautet «Unterm Birnbaum» (erschienen 1885), unter selbigem Titel ist die Kriminalgeschichte nun zum fünften Mal (seit 1945) verfilmt worden und exakt an Fontanes Geburtstag (Montag, 20.15 Uhr, ZDF) zu sehen.
Das Ehepaar Ursel (Julia Koschitz) und Abel Hradschek (Fritz Karl) besitzt ein hübsches Landhotel im brandenburgischen Oderbruch. Voller Ehrgeiz betreiben Sie das alte Gehöft, doch die Geschäfte laufen nicht so wie erhofft, und die Hradscheks leben über ihre Verhältnisse. Während Abel hohe Spielschulden aus illegalen Pokerabenden in seinem Hotel anhäuft, bestellt sich Ursel ständig neue Klamotten aus dem Internet oder fährt nach Berlin zum Shoppen - bis sie pleite sind. Durch den Besuch seines ungeduldig fordernden Gläubigers Schulze (Peter Schneider) gerät Abel noch mehr unter Druck. Er heckt einen raffinierten Plan aus und begeht mit Hilfe seiner Frau den «perfekten Mord» - in sturmumtoster Nacht bringen sie Schulze schließlich um.
Doch eine penetrant neugierige Nachbarin, die alte Frau Jeschke (Katharina Thalbach), hat angeblich alles beobachtet, während sich der Dorfpolizist Geelhaar (Devid Striesow) aufgrund ihrer Aussagen bis auf die Knochen blamiert: Unter dem Birnbaum liegt nicht Schulzes Leiche, sondern vielmehr das Skelett eines Soldaten, der vermutlich bei der Schlacht um die Seelower Höhen im April 1945 ums Leben kam. Die gottesfürchtige Ursel, die großes Vertrauen von Pfarrer Eccelius (Boris Aljinovic) genießt, beginnt unter schrecklichen Alpträumen zu leiden und Tabletten zu nehmen (was sie bereits früher tat). Das Ehepaar trauert darüber hinaus noch immer um ihre Tochter Mathilde, die vor drei Jahren bei einer Totgeburt starb.
Das stille Einverständnis der beiden Eheleute, die mit einem Mord verzweifelt einen Ausweg aus ihrer Misere suchen, wird von Julia Koschitz und Fritz Karl hervorragend und intensiv gezeigt, wie auch ihre rasch zunehmende Angst vor Entdeckung. Aber nicht nur sie spielen großartig, auch die Nebenrollen sind vortrefflich besetzt, insbesondere mit Katharina Thalbach. Obwohl der Zuschauer die Täter und ihre Motive kennt, ist der Film gleichwohl spannend, weil es um das Innenleben der Personen geht. Er entstand nach einem Drehbuch von Léonie-Claire Breinersdorfer (43, «Die Glasbläserin») und wurde von Regisseur Uli Edel (72, «Der Club der singenden Metzger») stilsicher und würdevoll inszeniert, mitsamt düsterer Grundstimmung. Sie haben sich beide im Wesentlichen an Fontanes Novelle gehalten und es dabei vermocht, das zeitlos wirkende Geschehen glaubhaft und mit modernisierter, aber völlig passender Sprache in die heutige Zeit zu übertragen.
«Armut ist schlimmer als der Tod», sagt Ursel, die ohnehin psychisch labil ist und mit der Schuld des Verbrechens kaum weiterzuleben vermag, zu ihrem nicht minder schwachen Mann. Julia Koschitz (45, «Geschenkt») sagt gegenüber der dpa über ihre Rolle: «Ursel hat Abels Plan zum Mord zugestimmt, aus einer verrückten Form von Hoffnung, dass sie beide damit ihr Leben retten könnten und aus blanker Angst vor Armut, die sie schon als junge Frau erlebt und traumarisiert hat. Dabei hat sie jegliche Empfindung verdrängt, die sie nach der Tat um so heftiger einholt. Sie ist eine Frau, die nach und nach an ihrer Schuld zerbricht, die keine Kapazitäten mehr hat, ihre Fassade aufrecht zu erhalten, hinter der sich schon vor dem Verbrechen ein zutiefst enttäuschter und depressiver Mensch verbirgt. Sie wird zu einer Frau, die ihr Unglück in Alkohol und Tabletten ertränkt und unbewusst beschließt, sich langsam von diesem Leben zu verabschieden». Diese Ursel habe sich ihr Leben sehr anders vorgestellt, glamouröser, in einer Großstadt, umgeben von Intellektuellen und Künstlern, mit denen sie sich schmücken könnte, und nicht in einem maroden Gasthof auf dem Land, in einer mittlerweile brüchigen und sprachlos gewordenen Ehe, fügt Koschitz hinzu.
Der Zuschauer erfährt ganz nebenbei, woher das Wort Sünde stammt, nämlich von Sund - es wird etwas abgetrennt, doch es gibt eine Brücke zurück. Für dieses auf Gedeih und Verderb aneinander hängende Paar allerdings nicht, dazu wiegt ihre ruchlose Tat zu schwer. Zum Schluss wird dann sehr passend der gar nicht verstaubt wirkende Fontane zitiert: «Es ist nicht zu fein gesponnen, kommt doch alles an die Sonnen».
Quelle: abendblatt.de
Autor: Klaus Braeuer, dpa
Artikel: https://www.abendblatt.de/kultur-live/tv-und-medien/article228019269/Unterm-Birnbaum.html
Film: https://www.zdf.de/filme/der-fernsehfilm-der-woche/unterm-birnbaum-100.html
Unterm Birnbaum | Hamburger Abendblatt
Von Klaus Braeuer, dpa
«Unterm Birnbaum»: Ein zeitloses Drama
Pünktlich zum Geburtstag eines berühmten deutschen Dichters ist nun die Neuverfilmung eines seiner Werke zu sehen - am kommenden Montag im ZDF.
Berlin (dpa) - Am heutigen Montag (30.12.) vor 200 Jahren wurde der deutsche Dichter Theodor Fontane (1819-1898) geboren. Eine seiner Novellen lautet «Unterm Birnbaum» (erschienen 1885), unter selbigem Titel ist die Kriminalgeschichte nun zum fünften Mal (seit 1945) verfilmt worden und exakt an Fontanes Geburtstag (Montag, 20.15 Uhr, ZDF) zu sehen.
Das Ehepaar Ursel (Julia Koschitz) und Abel Hradschek (Fritz Karl) besitzt ein hübsches Landhotel im brandenburgischen Oderbruch. Voller Ehrgeiz betreiben Sie das alte Gehöft, doch die Geschäfte laufen nicht so wie erhofft, und die Hradscheks leben über ihre Verhältnisse. Während Abel hohe Spielschulden aus illegalen Pokerabenden in seinem Hotel anhäuft, bestellt sich Ursel ständig neue Klamotten aus dem Internet oder fährt nach Berlin zum Shoppen - bis sie pleite sind. Durch den Besuch seines ungeduldig fordernden Gläubigers Schulze (Peter Schneider) gerät Abel noch mehr unter Druck. Er heckt einen raffinierten Plan aus und begeht mit Hilfe seiner Frau den «perfekten Mord» - in sturmumtoster Nacht bringen sie Schulze schließlich um.
Doch eine penetrant neugierige Nachbarin, die alte Frau Jeschke (Katharina Thalbach), hat angeblich alles beobachtet, während sich der Dorfpolizist Geelhaar (Devid Striesow) aufgrund ihrer Aussagen bis auf die Knochen blamiert: Unter dem Birnbaum liegt nicht Schulzes Leiche, sondern vielmehr das Skelett eines Soldaten, der vermutlich bei der Schlacht um die Seelower Höhen im April 1945 ums Leben kam. Die gottesfürchtige Ursel, die großes Vertrauen von Pfarrer Eccelius (Boris Aljinovic) genießt, beginnt unter schrecklichen Alpträumen zu leiden und Tabletten zu nehmen (was sie bereits früher tat). Das Ehepaar trauert darüber hinaus noch immer um ihre Tochter Mathilde, die vor drei Jahren bei einer Totgeburt starb.
Das stille Einverständnis der beiden Eheleute, die mit einem Mord verzweifelt einen Ausweg aus ihrer Misere suchen, wird von Julia Koschitz und Fritz Karl hervorragend und intensiv gezeigt, wie auch ihre rasch zunehmende Angst vor Entdeckung. Aber nicht nur sie spielen großartig, auch die Nebenrollen sind vortrefflich besetzt, insbesondere mit Katharina Thalbach. Obwohl der Zuschauer die Täter und ihre Motive kennt, ist der Film gleichwohl spannend, weil es um das Innenleben der Personen geht. Er entstand nach einem Drehbuch von Léonie-Claire Breinersdorfer (43, «Die Glasbläserin») und wurde von Regisseur Uli Edel (72, «Der Club der singenden Metzger») stilsicher und würdevoll inszeniert, mitsamt düsterer Grundstimmung. Sie haben sich beide im Wesentlichen an Fontanes Novelle gehalten und es dabei vermocht, das zeitlos wirkende Geschehen glaubhaft und mit modernisierter, aber völlig passender Sprache in die heutige Zeit zu übertragen.
«Armut ist schlimmer als der Tod», sagt Ursel, die ohnehin psychisch labil ist und mit der Schuld des Verbrechens kaum weiterzuleben vermag, zu ihrem nicht minder schwachen Mann. Julia Koschitz (45, «Geschenkt») sagt gegenüber der dpa über ihre Rolle: «Ursel hat Abels Plan zum Mord zugestimmt, aus einer verrückten Form von Hoffnung, dass sie beide damit ihr Leben retten könnten und aus blanker Angst vor Armut, die sie schon als junge Frau erlebt und traumarisiert hat. Dabei hat sie jegliche Empfindung verdrängt, die sie nach der Tat um so heftiger einholt. Sie ist eine Frau, die nach und nach an ihrer Schuld zerbricht, die keine Kapazitäten mehr hat, ihre Fassade aufrecht zu erhalten, hinter der sich schon vor dem Verbrechen ein zutiefst enttäuschter und depressiver Mensch verbirgt. Sie wird zu einer Frau, die ihr Unglück in Alkohol und Tabletten ertränkt und unbewusst beschließt, sich langsam von diesem Leben zu verabschieden». Diese Ursel habe sich ihr Leben sehr anders vorgestellt, glamouröser, in einer Großstadt, umgeben von Intellektuellen und Künstlern, mit denen sie sich schmücken könnte, und nicht in einem maroden Gasthof auf dem Land, in einer mittlerweile brüchigen und sprachlos gewordenen Ehe, fügt Koschitz hinzu.
Der Zuschauer erfährt ganz nebenbei, woher das Wort Sünde stammt, nämlich von Sund - es wird etwas abgetrennt, doch es gibt eine Brücke zurück. Für dieses auf Gedeih und Verderb aneinander hängende Paar allerdings nicht, dazu wiegt ihre ruchlose Tat zu schwer. Zum Schluss wird dann sehr passend der gar nicht verstaubt wirkende Fontane zitiert: «Es ist nicht zu fein gesponnen, kommt doch alles an die Sonnen».
Quelle: abendblatt.de
Autor: Klaus Braeuer, dpa
Artikel: https://www.abendblatt.de/kultur-live/tv-und-medien/article228019269/Unterm-Birnbaum.html
Film: https://www.zdf.de/filme/der-fernsehfilm-der-woche/unterm-birnbaum-100.html